Intensivere Auseinandersetzung mit
Rechtspopulismus gefordert

Das Erstarken rechtspopulistischer Parteien in Deutschland und Europa ist nach Ansicht des Darmstädter Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Dirk Jörke ein Appell an die politischen Eliten, die „Versprechen der Demokratie“ wieder mit Leben zu füllen, das heißt vor allem, für mehr soziale Gleichheit und Partizipation zu sorgen. Das sagte der Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Technischen Universität Darmstadt am Dienstagabend (8.10.) auf Einladung der Odenwald-Akademie in einem Vortrag in Erbach vor mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörern.

„Populistische Bewegungen und Parteien moralisch als illegitim und demokratiefeindlich zur verurteilen, reicht nicht“, so Jörke. „Im Gegenteil, eine solche Ausgrenzung macht jene Strömungen nur stärker, weil sie die populistische Gut-Böse-Unterscheidung reproduziert und einer Auseinandersetzung mit den Ursachen des Populismus entgegensteht.“

Diese Auseinandersetzung ist Jörke zufolge aber dringend notwendig, „gerade weil der Populismus, zumal der Rechtspopulismus, liberale und demokratische Institutionen bedroht und in Teilen rechtsextrem ist“. Zu den Ursachen des wachsenden Rechtspopulismus zählt der Politologe unter anderem eine gegenüber geopolitischen Entwicklungen als hilflos wahrgenommene Politik, nicht zuletzt auch gegenüber Migrationsbewegungen und global agierenden Finanzmärkten, sowie eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft in „kosmopolitisch denkende Modernisierungsgewinner und eher auf nationale Abgrenzung bedachte Modernisierungsverlierer“. Populisten versprächen Schutz vor Globalisierung, auch das trage zur wachsenden Attraktivität populistischer Parteien für Arbeiterinnen und Arbeiter bei, die sich in anderen Parteien nicht mehr aufgehoben fühlten.

Jörke illustrierte dies anhand der Wahlergebnisse der Europawahl 2024 und der jüngsten Landtagswahl in Brandenburg für die AfD. „Diese Partei hatte bei der Europawahl im Vergleich zu den anderen Parteien die meisten Stimmanteile bei Arbeitern und bei der Landtagswahl die meisten Stimmanteile bei Wählenden mit schlechter wirtschaftlicher Situation.“ Die AfD werde immer mehr von Menschen ohne Abitur und von Arbeitern gewählt, wie übrigens auch in anderen europäischen Ländern, aber auch von enttäuschten Konservativen, Evangelikalen und frustrierten Akademikern. Auch bei jungen Wählerinnen und Wählern stoße die AfD auf eine vergleichsweise hohe Zustimmung.

Jörke hob hervor, dass es diese Entwicklung nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern gebe, sondern auch in jenen Gegenden Westdeutschlands, die vom Strukturwandel besonders betroffen seien, etwa in Städten im Ruhrgebiet, aber auch in ländlich geprägten Landkreisen. „Die liberale Demokratie ist in ganz Deutschland wie in vielen anderen europäischen Ländern durch den Rechtspopulismus gefährdet.“

Neuerliche Bestrebungen, die AfD zu verbieten, sieht Jörke allerdings mit Skepsis. „Das würde die Vorurteile der Partei und deren Anhänger gegen über demokratischen Institutionen massiv nähren und es würden noch mehr Menschen zu Demokratiefeinden gemacht, außerdem würde sich über kurz oder lang eine neue, ähnliche Partei gründen.“

Landrat Frank Matiaske dankte Jörke für seine Ausführungen „zu einem Thema, das uns alle sehr beschäftigt, beschäftigen muss“. Es gebe in Deutschland und weltweit viele Entwicklungen, die zu einer immer größer werdenden Unsicherheit in der Bevölkerung führe, so Matiaske. „Das machen sich Populisten zunutze, um ihre Vorstellungen durchzusetzen, ohne dabei umsetzbare Lösungen zu präsentieren.“