Der Wald erfüllt wichtige Funktionen – als Lebensraum zahlreicher Tiere, Erholungsraum für den Menschen und Wirtschaftsfaktor. Das gilt gerade für den waldreichen Odenwaldkreis. Die Odenwald-Akademie hat deswegen den Wald zum Schwerpunktthema 2024 gemacht. Nach vier Vorträgen von Fachleuten der TU Darmstadt zu einzelnen Themen widmete sich am Donnerstagabend (14.11.) auch der traditionelle Odenwald-Dialog dem Wald, besonders mit dem spannenden Verhältnis von Ökonomie und Ökologie in der Waldbewirtschaftung.
Die Podiumsdiskussion im Volksbank-Atrium im Haus der Energie, Erbach, wurde wieder von Prof. Dr. Jan Wörner, dem Präsidenten der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, geleitet. Dabei setzen die Diskutanten unterschiedliche Akzente und gingen auch auf Fragen aus dem Publikum ein. Rund 150 interessierte Bürgerinnen und Bürger waren zu der Veranstaltung gekommen.
Ausgangspunkt der Diskussion war ein Impulsvortrag des Forstwissenschaftlers und Leitenden Forstdirektors i.R., Dr. Lutz Fähser, der das von ihm entwickelte „Lübecker Modell“ einer naturnahen Waldnutzung vorgestellt hat. „Wir wollen und dürfen in den Wald eingreifen.“ Die Frage sei jedoch, wie man den Wald bewirtschafte mit dem Ziel der Schadensminimierung. Hier setze das Lübecker Modell an. „Ein ökologisch optimales Funktionieren ist eine Voraussetzung für eine ökonomisch optimale und nachhaltige Entwicklung“, so Fähser. Geerntet würden nur einzelne, alte Bäume, was wirtschaftlich und ökologisch sei.
Carl Anton Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Präsident des Hessischen Waldbesitzerverbands, plädierte für eine Balance zwischen Ökonomie und Ökologie. Jedoch sei das Lübecker Modell „kein Konzept, das deutschlandweit funktioniert“, auch mit Blick auf die Nachfrage nach Holz. Nötig sei eine Vielzahl an Bewirtschaftungsmethoden. „Bei mir ist das Lübecker Modell nicht darstellbar, wir sind zum großen Teil vom Holzverkauf abhängig.“ Übrigens seien auch junge Wälder vitale Wälder und gerade sie bänden CO².
Fähser entgegnete: „Auch der Lübecker Wald ist ein Wirtschaftswald, kein Naturwald.“ Er komme mit viel weniger Kosten aus, denn es würden erst alte Bäume gefällt. Zudem sorge die Eigenorganisation des Waldes für viel dichtere, kühlere Wälder, was Risiken minimiere. Er könne Privatwaldbesitzer verstehen, die von ihren Wäldern lebten, fügte Fähser hinzu. Aber öffentliche Wälder hätten eine Vorbildfunktion, dort solle die Gesundung der Ökosysteme zugunsten stabiler Wälder Priorität haben.
Auch eine ertragsorientierte Bewirtschaftung habe ein großes Interesse an ökologisch gesunden Wäldern, betonte Prinz zu Waldeck und Pyrmont. Die klassische Forstwirtschaft entwickele sich ständig weiter „Und als Privatwaldbesitzer nehmen wir unsere Gemeinwohl-Verpflichtung wahr.“ Zwischen Privat-, Kommunal- und Staatswäldern gebe es kaum Unterschiede.
Auch Dr. Johannes Weidig von der Landesbetriebsleitung von HessenForst, Abteilung Waldentwicklung und Umwelt, trat dafür ein, Ökonomie und Ökologie im Wald zusammenzudenken. Eine Reduzierung der Waldbewirtschaftung im Odenwald sieht er gleichwohl kritisch, vor allem wegen des großen Fichtenbestands, einer mit einem hohen Risiko verbundenen Baumart. Fichten müssten kontrolliert abgebaut zugunsten einer stabileren, dichteren und gemischteren Aufforstung. Das sieht auch Fähser so.
Der Wald und die Folgen des Klimawandels
Ein zweiter Schwerpunkt der Diskussion dreht sich um die Folgen des Klimawandels für den Wald. Andrea Pfäfflin vom hessischen Landesvorstand des NABU mahnte zur Verantwortung aller, den Klimawandel zu bremsen und nicht einfach hinzunehmen. Zu berücksichtigen seien im Wald nicht nur die Bäume, sondern alle Tiere und Pflanzen, nicht zuletzt auch der Boden. „Unser CO²-Speicher und größter Sauerstoffspender Wald braucht eine Atempause.“ Für ein klimaangepasstes Waldmanagement könnten auch private Waldbesitzer Zuschüsse beantragen, genauso wie kommunale Waldbesitzer.
Dem Vorschlag, mit Blick auf den Klimawandel auch fremde, klimaresistentere Baumarten anzupflanzen, schloss sich Weidig an. Fähser sieht das hingegen kritisch. „Wir orientieren uns hier an der Wissenschaft“, so Weidig, der zur Differenzierung mahnte: „Es geht nicht darum, heimische Baumarten durch andere auszutauschen.“ Aktuell seien vier Prozent der Bäume in Hessen Douglasien, andere fremde Baumarten seien kaum vorhanden. „Weit über 90 Prozent sind immer noch heimische Baumarten, das soll auch so bleiben.“
Enger Zusammenhang von Wald und Jagd
Ein drittes Thema war die Rolle der Jagd im und für den Wald, besonders dafür, ihn klimawandelfest zu machen – unter anderem mit Blick darauf, dass zu viel Wild durch Verbiss dem Wachsen neu angepflanzter Bäume entgegensteht, vor allem dem von nicht heimischen Baumarten. Auf diesen engen Zusammenhang verwiesen alle Diskutanten.
Der Vorsitzende des Vereins der Jäger im Odenwald und Kreisjagdberater, Moritz Krellmann, betonte die besondere Verantwortung der Jäger für das Ökosystem Wald eine die enge Zusammenarbeit zwischen Waldbesitzern und Jägern im Odenwaldkreis. „Wir kennen uns und sitzen an einem Tisch, um einen guten Interessensausgleich hinzubekommen.“ Ein großer Vorteil sei, dass die meisten Jagdpächter aus dem Odenwald kämen und nicht von außerhalb. Krellmann fügte hinzu, er wisse um die ökonomische Herausforderung für Waldbesitzer, auch wenn die Schäden im Odenwaldkreis nach den Dürrejahren nach 2018 geringer seien als andernorts.
In seiner Begrüßung hatte Landrat Frank Matiaske zu Beginn der Veranstaltung hervorgehoben, dass der Wald vor großen Herausforderungen stehe und ausgesprochen vielfältig sei, ebenso wie die Modelle zur Bewirtschaftung von Wäldern. Besonders willkommen hieß der Landrat Graf Louis und Graf Nikolaus aus dem Haus Erbach-Fürstenau sowie Erbgraf Georg-Albrecht aus dem Haus Erbach-Erbach sowie die beiden Landräte a.D. Horst Schnur und Dietrich Kübler.
Landrat Matiaske dankte Raquel Jarillo von der Odenwald-Akademie für die Vorbereitung und Durchführung des Odenwald-Dialogs. „Dass die gesamte Waldreihe auf so viel Zuspruch stieß, zeigt, dass wir ein absolut wichtiges Thema besetzt haben.“