Der Biologe Prof. Dr. Nico Blüthgen hat die Verantwortlichen in der Forst- und Landwirtschaft ermuntert, ihre Spielräume für den Erhalt der Artenvielfalt von Insekten zu nutzen. „Auch jede und jeder von uns kann als Konsumentin und Konsument von Nahrungsmitteln dazu beitragen, dass weniger Fläche zur Erzeugung tierischer Produkte genutzt wird und damit zur Artenvielfalt beitragen“, sagte Blüthgen am Dienstagabend (16.4.) bei einem Vortrag der Odenwald-Akademie im Haus der Energie in Erbach.
Blüthgen lehrt und forscht an der TU Darmstadt zur Wechselwirkung von Insekten mit anderen Insekten und Pflanzen. Gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist er in mehreren Forschungsvorhaben aktiv. „Insekten sind essentiell für fast alle Prozesse in Ökosystemen“, hob er vor rund 120 Zuhörerinnen und Zuhörern hervor – im Grünland genauso wie im Wald.
Wie er schilderte, geht vor allem die Zahl wildlebender Insekten teils dramatisch zurück. Zu den Ursachen gehöre auch eine intensive Land- und Forstwirtschaft, so Blüthgen. „Sinnvoll wäre ein schonenderer Umgang mit Feldern und Wäldern oder auch Randstreifen von Straßen, die nicht so oft gemäht werden müssen wie dies gegenwärtig geschieht. Wir haben in allen Bereichen viel mehr Spielraum zum Schutz von Insekten als wir denken.“
Blüthgen wandte sich nicht gegen die wirtschaftliche Nutzung von Feldern und Wäldern. Aber ihm zufolge ist nicht zuletzt die häufige Mahd von (landwirtschaftlichen) Flächen vor allem mit Kreiselmähern, für den massiven Rückgang von Insekten verantwortlich. „Weiden sind daher viel besser als gemähte Wiesen. Zusätzlich kann die Wahl der Mahdtechnik dazu beitragen, dass mehr Tiere am Leben bleiben.“ Hier hat Blüthgen vor allem die groß angelegte, industrielle Landwirtschaft im Blick, auch deren übermäßigen Einsatz von Herbiziden, Fungiziden und Pestiziden. Er warb für eine kleinteilige Landwirtschaft, ähnlich der, wie sie im Odenwald weitgehend praktiziert wird.
Auch müsse einer allzu starken Holzentnahme aus Wäldern entgegengewirkt werden, vor allem für die Nutzung als Brennholz, so Blüthgen. „Je offener Wälder sind und je mehr Totholz entnommen wird, desto weniger Waldinsekten gibt es dort. Aber sie haben in Wäldern wichtige Aufgaben, zum Beispiel beim Abbau von Laubstreu.“ Je größer der Artenreichtum sei, desto besser funktioniere das Ökosystem Wald.
Gerade dieses Ökosystem entwickele sich derzeit sehr dynamisch, was durch den Klimawandel verstärkt werde, so Blüthgen. „So siedeln sich in den wärmer gewordenen Wäldern Insekten an, die eigentlich in unserem heimischen Offenland leben oder aus dem Mittelmeerraum zu uns gekommen sind. Es findet derzeit eine große Veränderung mit einer neuen Artenvielfalt statt, die wir weiter beobachten werden.“ Zu den „Verlierern“ dieser Dynamik gehörten allerdings schützenswerte Insekten, die in feuchten und kühlen Wäldern zuhause seien.
Landrat Frank Matiaske dankte Blüthgen für seinen Vortrag, der Teil einer ganzen Reihe von Veranstaltungen der Odenwald-Akademie zum Thema Wald ist: „Auch dieser Abend hat uns geholfen, den ungemein vielfältigen Lebensraum Wald besser zu verstehen und damit auch neu wertzuschätzen.“
Matiaske dankte auch den beiden passionierten Odenwälder Insektenkundlern Waltraud Dieler und Werner Horn, die den Vortragsabend mit sieben informativen Schaukästen bereicherten, in denen sie 199 Laufkäferarten aus dem Odenwald und seinen Randgebieten präsentierten. So bekamen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen direkten Eindruck von der großen Artenvielfalt jener Insekten.
„Käfer sind die artenreichste Ordnung aus der Klasse der Insekten. In Deutschland werden für rund 7000 Käferarten gesicherte Nachweise geführt. Die Familie der Laufkäfer umfasst rund 560 Arten“, erläuterten Dieler und Horn. „Sie sind somit ein kleinerer, aber gut erforschter Teil des Käfervorkommens und ein Mosaikstein bezogen auf die Artenvielfalt aller Insektenordnungen.“ Blüthgen würdigte die ehrenamtliche Arbeit Dielers und Horns als „sehr wertvoll“ – auch für die Wissenschaft.
Die Wald-Reihe der Odenwald-Akademie wird am 14. November mit dem Odenwald-Dialog enden, in dem es um die Frage geht, wie der Wald miteinander geschützt, aber auch bewirtschaftet werden kann. Aktuelle Informationen finden sich auf der Seite www.odenwald-akademie.de.