Freizügigkeit und Vorsorge fürs Alter im 19. Jahrhundert

Urkundenfunde sind für Heimatforscher immer etwas Besonderes. – Inmitten einer alten Dokumentensammlung entdeckte Thomas Seifert einen Heimatschein sowie einen Ehe- und Gutsübergabevertrag. Beide Urkunden geben Auskünfte über Familien aus Nieder-Kinzig und sind Belege für das damals geltende Recht im Großherzogthum Hessen. Darüber hinaus gewähren sie Einblicke in die sozialen Verhältnisse des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die alte deutsche Schriftart der Urkunden wird im „gelurt“ dem Leser in die heutige Schrift  übertragen. Zudem erleichtert Seifert durch Erläuterungen der Begriffe Heimathschein, Gutsübergabe und Freizügigkeit den Zugang zum Inhalt und damit das Verständnis für damals geltende Sitten, Gebräuche und Gesetzesordnungen. Der Heimatschein beispielsweise galt als Heimatberechtigung für eine bestimmte Person in einem bestimmten Ort, an dem er ausgestellt worden war. Annähernd mit dem heutigen Personalausweis vergleichbar, können wir diesen als Reisedokument in der gesamten Bundesrepublik, ja sogar innerhalb der EU bzw. des Schengen-Raums nutzen. Bedenkt man nun die Kleinstaaterei in Deutschland im 19. Jahrhundert, wird dagegen die „eingeschränkte Nutzung“ jener Papiere leicht begreiflich. Das galt vor allem in kleinräumigen Regionen wie Hessen. An Freizügigkeit war hier nicht zu denken. Dies änderte sich langsam ab 1871 mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs und Bismarcks Politik, dessen Auswirkungen Seifert beschreibt, immer wieder mit Bezug zum Odenwald, zu Nieder-Kinzig.

(Zusammenfassung von Jeannette Schmidt-Herrmann)